Einrichtung eines Nordseebeckens - Nordseefauna2016

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Einrichtung eines Nordseebeckens

 

Tipps und Tricks für die Einrichtung eines Aquariums für Tiere aus der Nordsee

Aller Anfang ist leicht. Dies sei all jenen entgegengehalten, die behaupten, dass Nordseeaquaristik zu schwierig sei. Am besten, ich schildere einmal kurz, wie man es nicht machen sollte. Und dann, mit welcher Methode ich die größten Erfolge hatte.
Vor einiger Zeit telefonierte ich mit einem Gastronomen, der in seinem Fischlokal zwei Nordseebecken stehen hatte. Diese kühlte er sogar, doch gingen ihm die meisten Tiere schon nach kurzer Zeit ein und es bildeten sich ständig unerwünschte Algen jeglicher Art. Im Ergebnis war er dauernd mit Putz- und Reinigungsarbeiten beschäftigt, und nur einige hartgesottene Plattfische überlebten seine Becken für einige Monate.
Als ich dann nachfragte, wie er die Becken eingerichtet habe, kamen dabei zwei grundlegende Kardinalfehler heraus. Der erste war der, dass er die ganze Anlage von einem Aquarienhändler einrichten ließ, der von Seeaquaristik keinerlei Ahnung hatte. Nimmt man seine eigenen mangelnden Fachkenntnisse dazu, dann ahnt man schon, was sich da zusammenbraute. Der zweite Kardinalfehler – und das war der schwerwiegendste – war der, dass er irgendwelchen Kies als Bodengrund wählte, dazu echtes(!) Nordseewasser ins Becken füllte und außerdem den Salzgehalt mit Salz aus dem Toten Meer(!) erhöhte, weil er der Meinung war, dass die Fische einen höheren Salzgehalt benötigen würden! Au weia, dachte ich nur…
Wenn man ein Nordseeaquarium einrichtet, sollte man sich vorher sorgfältig informieren, welche Ansprüche die Tiere, die man pflegen möchte, an ihren künftigen Pfleger stellen. Meine Bücher enthalten hier auch den einen oder anderen Hinweis, der sich als nützlich erweisen könnte, denn viele meiner Anmerkungen beruhen auf persönlichen Erfahrungen.
Nicht alle Nordseetiere benötigen tatsächlich einen hohen Grad der Kühlung ihres Behälters. Dieses gilt in ganz besonderem Maße für eingeschleppte Arten, wie etwa die Pazifische Uferkrabbe Hemigrapsus sanguineus, die man problemlos bei Zimmertemperatur dauerhaft pflegen kann. Gleiches gilt auch für Arten wie den Wolfsbarsch, Seeanemonen der Gattungen Actinia und Sagartia, sowie die Kleine Felsengarnele Palaemon elegans, die man häufig in Häfen und an Buhnen findet.
Andere Arten dagegen benötigen sehr wohl eine Kühlung und leben bei zu hohen Temperaturen innerhalb weniger Tage oder Wochen ab. Deshalb sollte man sich über die Temperaturansprüche der zu pflegenden Arten möglichst umfassend informieren.
Tiere wie etwa die Große Felsengarnele Palaemon serratus oder der Leierfisch Callionymus lyra sind hier sehr empfindlich. Doch hält man sie kalt, können sie sehr lange am Leben erhalten werden und zeigen dann auch ihr natürliches Verhalten im Aquarium.
Ein unausrottbares Vorurteil besagt, dass man Nordseetiere bei möglichst hohen Salzgehalten pflegen sollte. Das ist in dieser pauschalen Form behauptet falsch, denn alle Seetiere besitzen spezielle Drüsen und Adaptionen, die es ihnen ermöglichen, überschüssiges Salz aus ihrem Organismus auszuscheiden. Bei Fischen geschieht dieses in der Regel über die Kiemen oder die Nieren. Für diese Stoffwechselvorgänge muss der Organismus jedoch Energie aufwenden, was für das Tier puren Stress bedeutet! Zwar ist es durchaus richtig, frisch aus dem Meer gefangene Tiere langsam an das Milieu eines Aquariums zu gewöhnen, doch spielt der Salzgehalt dabei in den meisten Fällen eher eine untergeordnete Rolle. Dieses gilt umso mehr für die Bewohner der Gezeitenzone, die hier natürlicherweise starken Schwankungen ausgesetzt sind. Meine Messungen ergaben, dass etwa der Salzgehalt in Norddeich am Strand bei einer Dichte von 1,017 liegt, während das Meerwasser, das mir ein Krabbenkutter von den vorgelagerten Inseln mitbrachte, eine Dichte von etwa 1,020 aufwies. Kutterimporte werden von mir langsam an mein Aquarienwasser angepasst, um einen Schock durch die jahreszeitlich bedingt verschiedenen Wassertemperaturen zu vermeiden. Denn während ein Fisch am Grund der Nordsee vom Kutter bei einer Temperatur von vielleicht 10°Celsius gefangen wird, beträgt die aktuelle Temperatur in meinem Aquarium möglicherweise bereits 15° oder 16° Celsius. Setzt man einen Fisch plötzlich solch einer Erhöhung aus, kann es sein, dass sein Metabolismus plötzlich damit beginnt, auf Hochtouren zu arbeiten. Das wäre in etwa so, als wenn das Herz eines Menschen ohne Grund mit zweihundert Schlägen pro Minute arbeiten soll, und das dauerhaft! Dass Fische so etwas kaum überleben, dürfte einleuchten. Aber auch manche Wirbellose sind hier sehr empfindlich. Bei solch heiklen Kandidaten hat es sich bewährt, sie über einen längeren Zeitraum, das heißt mindestens eine Nacht lang, im Eimer stehen zu lassen, um sie allmählich an die höhere Temperatur zu adaptieren. Allerdings sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass dieses leider nicht mit allen Arten möglich ist.
Bei Fischen kann außerdem das Problem von bakteriellen Infektionen durch Schleimhautabschürfungen auf Körper oder Flossen dazukommen. Diese kann man durch die Behandlung des Tieres in einem Quarantänebecken mit Antibiotika oder durch den Einsatz von UV-C oder Ozon recht gut in Schach halten oder auskurieren. Man darf jedoch Behandlungen mit Antibiotika niemals im Schaubecken durchführen, da diese Mittel die gesamte Beckenbiologie zerstören können! Betreibt man ein System mit UV-C Wasserklärung oder Ozon kann man in ein solches Aquarium auch infizierte Fische einsetzen, da UV-C und Ozon jegliche Vermehrung von Keimen und Sporen dauerhaft unterbinden. Prämisse hierfür ist es jedoch, dass die Geräte und ihr Wirkungsgrad angemessen für das jeweilige System dimensioniert wurden. Dabei ist es von Vorteil, den Einsatz von UV-C leicht überzudosieren und die UV-C-Lampen mindestens einmal im Jahr auszuwechseln, da der Wirkungsgrad sonst stark nachlässt. Ozon dagegen darf nicht überdosiert werden, da die Fische sonst Verbrennungen an Kiemen und Flossen erleiden, an denen sie sogar eingehen können.
Abschließend möchte ich noch meine Filtermethode vorstellen, welche weitgehend einem natürlichen Vorbild entspricht, nämlich dem Watt.
Bevor ich den Bodengrund in mein Aquarium einfülle, besorge ich mir bei Ebbe etwa einen mindestens zehn Zentimeter hohen Quadratdezimeter Watt. Dieser wird dann möglichst mittig im Aquarium platziert, während der Platz daneben mit handelsüblichem Vogelsand aufgefüllt wird. Der Wattboden sollte im unteren Bereich auch blauschwarzen Schlick enthalten, da es insbesondere diese blauschwarzen Schichtungen sind, welche genau die Bakterien enthalten, die Nitrat und Nitrit aus dem Wasser entfernen. Bakterien, Würmer und Kleintiere, die in diesem lebendigen Bodengrund enthalten sind, verbreiten sich dann recht schnell über die gesamte Fläche. Danach kann man auf diesem Bodengrund auch Steine anbringen. Was man jedoch nicht machen darf, ist eine ganzflächige Einbringung von Wattboden, da sich dann Fäulnisherde bilden, die das gesamte Becken ins Ungleichgewicht führen. Ich persönlich empfehle Schichtungen aus feinem Sand, wobei die Schichthöhe des Sandes bis zu 10 Zentimeter und mehr betragen kann. Bei diesem Konzept wird der Bodengrund als Filter eingesetzt. Bei einem so eingebrachten Bodengrund bilden sich nach kurzer Zeit drei Schichten aus, die für die Wasserreinigung wichtig sind:

- Die oberste Schicht bis etwa 5 Zentimeter Tiefe kann man als oxische Schichtung beschreiben, in der noch ein relativ hoher Sauerstoffgehalt herrscht.
- Daran schließt sich eine suboxische Schicht an, die etwa von 5 – 8 Zentimeter Tiefe verläuft und schon erheblich weniger Sauerstoff enthält.
- Darunter verläuft dann eine anoxische Schicht, in der zahlreiche anaerobe Bakterien leben, welche die Stoffwechselabbauprodukte anderer Organismen verwerten. Insbesondere diese Schicht wirkt wie eine natürliche Kläranlage und baut Nitrat ab. Häufig treten in dieser Schicht blauschwarze bakterielle Verfärbungen auf.

Insbesondere in dieser untersten anoxischen Schicht wird von den anaeroben Bakteriengruppen Nitrat in reinen Stickstoff und reinen Sauerstoff aufgespalten, so dass ein enormer Nitratabbau stattfindet. Es entstehen Gasblasen im Bodengrund, die nach einer Weile das Aquarium über die Wasseroberfläche verlassen. Je älter dieser Bodengrund wird, desto höher ist sein biologischer Wirkungsgrad. Der wesentliche Vorteil im Gegensatz zu anderen Bodengrundmassen, wie z.B. Kies besteht darin, dass durch die Feinheit des Sandes in diese anoxischen Schichtungen organische Abfälle nur verhältnismäßig schwer eindringen können, so dass sich hier keine Fäulnisherde mit Sulfaten (Schwefelverbindungen) bilden. Ein weiterer Vorteil von Sand besteht darin, dass es sich um einen sehr preiswerten Bodengrund handelt, den man auch jederzeit teilweise per Schlauch absaugen und erneuern kann. Bewährt hat sich bei mir handelsüblicher Vogelsand, aus dem ich vor dem Hausgebrauch das Anisöl ausgespült habe. Papageiensand sollte dagegen nicht verwendet werden, weil dieser Ätzkalke enthält, die ihn für aquaristische Zwecke unbrauchbar machen. Hat man solch einen biologisch funktionalen Bodengrund geschaffen, benötigt man keine aufwändigen Filteranlagen mehr, weil der Bodengrund bereits diese Funktion ausübt. Trotzdem sollte eine möglichst starke Wasserumwälzung durch eine oder mehrere Pumpen gewährleistet sein, um eine angemessene Sättigung des Wassers mit Sauerstoff zu gewährleisten.
Es ist nach meinen Erfahrungen relativ egal, mit welchem künstlichen Meersalz man sein Meerwasser herstellt, doch sollte es sich bitte um ein Markensalz für aquaristische Zwecke handeln. Speisesalze und Salz aus dem Toten Meer eignen sich wegen ihrer chemischen Zusammensetzung nicht; außerdem werden Speisesalze meist jodiert, was diese für unsere Zwecke völlig unbrauchbar macht. Man sollte ein mit künstlichem Meersalz eingerichtetes Becken für einige Tage bis Wochen stehen lassen, damit die Mikrobiologie des Systems sich von alleine entwickeln kann. Ist kein Nitrit mehr in einem neu eingerichteten System nachweisbar, kann man vorsichtig mit dem Besatz anfangen, wobei man es zunächst mit besonders robusten Arten versuchen sollte. Hierzu zählen Fischarten wie Strandgrundel und Scholle, sowie Strandkrabben und Kleine Felsengarnelen.

 
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